Tag des studentischen Ehrenamts: Wenn Engagement zur Macht-Maschine wird
- bgs437
- 13. Nov.
- 3 Min. Lesezeit

Der morgige Tag des studentischen Ehrenamts ehrt Millionen ehrenamtlich Engagierte und das völlig zu Recht. Studierende betätigen sich an vielen Orten ehrenamtlich, in den Vereinen, Parteien und Bewegungen, in der Jugendarbeit. Die Gesellschaft insgesamt, aber auch die deutschen Hochschulen leben vom studentischen Ehrenamt. Hier lernen junge Menschen, andere für ihre Ideen zu begeistern und ihr Umfeld zu gestalten.
So weit das Ideal. Doch gerade an den Hochschulen bewegen sich Studierende in einem Geflecht von Macht und Abhängigkeit: Wenn wir in Fachschaftsratsitzungen oder in Fakultätsratssitzungen Haltung beziehen, in Senaten mitwirken oder als Gleichstellungsbeauftragte amtieren, dann tragen wir Verantwortung, machen uns aber auch angreifbar. Wer als Studi oder Mitarbeiter:in und Gremiummitglied eine Doppelrolle hat, wird leicht Opfer von Machtmissbrauch und Repression. Solches Ehrenamt ist nicht nur Freundschaft und Idealismus, sondern manchmal auch ein handfestes Risiko.
„Wir Studis wollen mitgestalten und verändern. Aber dabei dürfen unsere Räume für Engagement nicht zu Machtfabriken mutieren“, betonen Helena Schnettler und Constantin Meyer zu Allendorf, Bundessprecher:innen von Campusgrün.
Ehrenamt darf nicht mit Repression geahndet werden. Drei Beispiele zeigen, wo und wie Engagement teuer bezahlt werden muss:
(I) Der:Die engagierte Student:in – kritisieren heißt riskieren
Wer sich im Fachschaftsrat, Fakultätsrat oder im Senat engagiert tritt Professor:innen, Dekan:innen und Verwaltungsleitungen entgegen. Zwischen Studis und Profs besteht ein Ungleichverhältnis, anders als in Parlamenten, in denen alle gleich sind. Meist sind solche Gremien unterschiedlich stark besetzt, zwei Studis haben fünf Professor:innen gegenüber. Dabei stecken alle in einer Doppelrolle: Studis schreiben Prüfungen bei den Profesor:innen, mit denen sie im Gremium sitzen. Professor:innen halten vor Studis Vorlesungen und stellen Prüfungen, mit denen sie im Gremium sitzen.
Für uns ist Ehrenamt nicht bloß Freizeitgestaltung, sondern die unmittelbare Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Doch wer dabei Kritik äußert, zahlt schnell den Preis. Nicht selten berichten Studierende von Repression, etwa durch Benotung. Sätze wie „Wenn Sie so weitermachen, wird das mit der Prüfung nichts“ sind keine Ausnahme, sondern Ausdruck eines Systems, in dem Kritik bestraft und Macht missbraucht wird.Befangenheitsanträge helfen kaum weiter. Denn diese landen in der Regel in Studienkommissionen, die wiederum von Professor:innen in Überzahl besetzt sind, über die entschieden wird. Ein wirklicher Schutz vor Machtmissbrauch ist das nicht.
(II) Die engagierte Mitarbeiterin – zwischen Loyalität, Selbstschutz und Problembenennung
Auch wissenschaftliche Mitarbeiter:innen stehen in Fakultätsräten unter Druck. Wer sich gegen die eigene Vorgesetzte im Gremium positioniert, riskiert schlimmstenfalls den Job. Die Ursache dafür ist wieder die Verwirrung von verschiedenen Rollen. Der:Die wissenschaftliche Mitarbeiter:in ist erstens durch den Arbeitsvertrag, zweitens durch die Promotionsbetreuung und drittens durch ihr Engagement im Gremium zu ihrem:ihrer vorgesetzten Professor:in eingebunden. Andersherum ist der:die Professor:in in Arbeitgeberverantwortung, Promotionsbetreuung und unterschiedlichen Rollen in Gremienarbeit (wie Dekan:in) mit dreifachen Machthebeln betraut. Diese Ebenen verschwimmen leicht, die Folge ist Machtmissbrauch. Nur so kann Kritik zur Frage des Arbeitsplatzes werden und Beschwerden zu weniger Unterstützung bei Promotion werden. Selbstzensur wird opportun und das Ehrenamt wird lästiger.
Machtmissbrauch ist Ausdruck eines Systems, in dem politische Macht und akademische wie wirtschaftliche Abhängigkeit in einer Person zusammenfallen. Das muss getrennt werden!
(III) Die Gleichstellungsbeauftragte – viel Verantwortung, wenig Unabhängigkeit
Gleichstellungsarbeit an Hochschulen ist ein großer Fortschritt. Aber viele Gleichstellungsbeauftragte sind direkt abhängig von Lehrstühlen, die sie eigentlich kontrollieren sollten. Diese Abhängigkeit untergräbt die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit von Gleichstellungsarbeit. Gleichstellungsbeauftragte müssen eigenständig finanziert und personell ausgestattet werden, unabhängig von Fakultätsleitungen und Lehrstühlen. Nur so können sie Missstände offen ansprechen, ohne Angst vor Konsequenzen.
Schlussfolgerungen
Universitäre Selbstverwaltung braucht Gremien, in denen alle gleichberechtigt mitwirken können. Aber dieses Engagement wird zu selten ausreichend vom Machtgefüge der Universität getrennt. Deshalb fordert Campusgrün:
Doppelrollen aufgeben und Abhängigkeiten reduzieren. Wir wollen missbrauchanfällige Doppelrollen reduzieren, dafür braucht es eine klare Trennung: In Gremien sollen sich nicht Chef:innen und Angestellte, Prüflinge und Prüfer:innen gegenüber sitzen.
Unabhängige Schutz- und Ombudsstellen für Ehrenamtliche an Hochschulen mit Beschwerde- und Befangenheitsrechten außerhalb der universitären Machtkreise.
Transparente Ressourcen- und Zeitkonten: Ehrenamt darf nicht bedeuten, dass eigenes Studium oder Arbeitsverhältnis darunter leiden. Studis müssen durch Freisemester entlohnt werden, wissenschaftliche Mitarbeiter durch verringerten Arbeitsumfang am Lehrstuhl.








