top of page

10 Thesen für bessere Studium, Lehre und Forschung in Ostdeutschland

  • bgs437
  • 17. Sept.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. Sept.


ree

Auf dem Ostkongress ELBE von Bündnis90/ Die Grünen vom 12. bis 14.9.2025 wurden viele wichtige Fragen für die Zukunft Ostdeutschlands benannt und zeitgemäße, solidarische und freiheitliche Lösungswege diskutiert. Auch Campusgrün war mit einem Stand vor Ort, um auf die Bedürfnisse und Potentiale der ostdeutschen Hochschullandschaft aufmerksam zu machen. Dazu erklären die Bundessprecher:innen von Campusgrün, Helena Schnettler und Constantin Meyer zu Allendorf:

Drei Jahrzehnte nach der Wende sind ostdeutsche Hochschulen noch immer im Aufbruch. Historische Brüche prägen Identität und Zugang zu Hochschulen, Abwanderung und schwache Netzwerke hemmen Talente vor Ort. Wenn wir Strukturen stärken, Talente fördern und Chancengleichheit schaffen, können Ostdeutsche Hochschulstandorte für Studierende endlich ein echtes attraktives Angebot bieten – und als Motoren für Bildung, Forschung und gesellschaftlichen Zusammenhalt die Region nachhaltig prägen."


Die Hochschulen in Ostdeutschland stehen auch drei Jahrzehnte nach der Wende vor besonderen Herausforderungen. Historische Brüche, strukturelle Nachteile und fehlende Netzwerke prägen bis heute den akademischen Alltag. Beim Ostkongress wollten wir nicht nur Probleme benennen, sondern gemeinsam nach Lösungen suchen. Das Resultat sind diese 10 Thesen für bessere Studium, Lehre und Forschung in Ostdeutschland:


1. Historische Brüche wirken nach

Nach 1990 wurde die ostdeutsche Hochschullandschaft nicht einfach in das westdeutsche System integriert, sondern weitgehend neu aufgebaut. Hochschulen, Fakultäten und Forschungsinstitute wurden geschlossen, umstrukturiert oder neu gegründet. Damit gingen gewachsene Strukturen, Forschungsschwerpunkte und akademische Kulturen verloren. Diese tiefen Einschnitte prägen bis heute Identität, Selbstverständnis und Leistungsfähigkeit ostdeutscher Hochschulen. Wir fordern die Länder auf, die durch das Sondervermögen Infrastruktur bestehenden Mittel und Möglichkeiten, gerade für den Ausbau der Hochschul- und Forschungsstandorte im Osten zu nutzen.


2. Abwanderung und Zuzug von Professor:innen

Nach der Wiedervereinigung verließen viele ostdeutsche Professor:innen und Wissenschaftler:innen ihre Heimatregionen und wechselten in den Westen oder ins Ausland. Gleichzeitig kamen zahlreiche Hochschullehrende aus Westdeutschland in den Osten, um im Rahmen des neuen Hochschulsystems Lehrstühle aufzubauen. Diese ungleiche Personalbewegung prägt die akademische Landschaft bis heute: Der Anteil ostdeutscher Professor:innen an ostdeutschen Hochschulen ist nach wie vor gering.

Wir sprechen uns daher für gezielte Nachwuchsförderprogramme für ostdeutsche Wissenschaftler:innen sowie für eine Berufungspolitik aus, die regionale Herkunft und Diversität stärker in den Blick nimmt.


3. Bildungsaufstieg & Infrastrukturlücke

Im Westen ist die Hochschullandschaft dichter, die Anbindung durch ÖPNV oft besser. In Ostdeutschland liegen viele Hochschulstandorte „abgelegener“, Pendelzeiten sind länger, der Zugang zum Studium für Studierende ohne finanzielle Rücklagen schwerer.vDennoch: die im Bundesschnitt höhere Wohnheimquote, bessere Kita-Quote und niedrigeren Mieten sind positiv hervor zu heben und resultieren aus dem Einfluss der Hochschulpolitik der DDR. Diese Infrastruktur muss erhalten und verbessert werden. Trotz massiver Investitionen gelingt der soziale Aufstieg über Bildung im Osten seltener.
Campusgrün drängt auf den Ausbau der Verkehrsanbindung zu Hochschulen und attraktive Campusmodelle für ländliche Regionen. Durch ein solide ausfinanziertes BAföG wird studierenden die notwendige finanzielle Grundlage für ein Studium geschaffen - in Ost- wie Westdeutschland.


ree

4. Netzwerke als entscheidender Faktor

Führungspositionen in Hochschulen und Forschung sind bis heute überwiegend westdeutsch besetzt. Karrierechancen hängen (leider) stark an persönlichen Netzwerken, Mentoring und unsichtbaren Zugängsbarrieren – Strukturen, die im Osten nach 1990 erst neu entstanden und bis heute schwächer sind.
Wir begrüßen den Aufbau und Förderung ostdeutscher Alumni- und Mentoring-Netzwerke.


5. Fachhochschulen zwischen Chance & Stigma

Nach 1990 entstanden in Ostdeutschland zahlreiche Fachhochschulen, um praxisorientierte Studiengänge und eine stärkere regionale Anbindung zu schaffen. Fachhochschulen gibt es zwar auch in Westdeutschland, doch dort ist das Verhältnis zugunsten der Universitäten ausgewogener. Im Osten ist das Angebot an universitären, fächerübergreifenden Studienmöglichkeiten im Vergleich deutlich geringer.

Campusgrün drängt auf die Schaffung weiterer Universitäten in ostdeutschen Städten. 



6. Stasi-Erfahrungen & Hochschulkultur

In der DDR waren Hochschulen Orte starker politischer Kontrolle unterzogen. Studierende und Lehrende standen unter erheblichem Druck, politische Loyalität entschied über Karrierechancen. Dieses Erbe prägt Wahrnehmung akademischer Freiheit und Hochschulkultur bis heute.
Campusgrün empfiehlt eine Erinnerungskultur und Aufarbeitung an Hochschulen zu verankern, z. B. durch Archive; lebendige Gedenkstätten, die Teil der Campus sind (bspw. TU Dresden die Gedenkstätte Münchener Platz) und Bildungsangebote zu demokratischer Hochschulkultur.


7. Abwanderung von Talenten

Viele ostdeutsche Hochschulen verlieren ihre Absolvent:innen an westdeutsche oder internationale Zentren. Bessere Karrierechancen, höher dotierte Stellen und attraktivere Forschungsbedingungen locken ab.
Wir fordern attraktive Karrierewege und Forschungsbedingungen vor Ort.


ree

8. Hochschulen als regionale Anker

Hochschulen in Ostdeutschland sind strukturell unterfinanziert - und auch Drittmittelprojekte finden sich hier seltener als im Westen. Trotz dessen sind ostdeutsche Hochschulen zentrale Motoren für Stadtentwicklung, Kultur, Innovation und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie sind oft größte Arbeitgeber der Region und bündeln Bildung, Forschung und Engagement.
Daher empfiehlt Campusgrün langfristige politische Strategien, verlässliche Finanzierung und gezielte Förderung für Neubau öffentlich-rechtlicher Hochschulen. Es braucht solide Finanzierung die alle Universitäten von Drittmittelförderung unabhängig macht.


9. Hochschulpolitik & Teilhabe-Modelle

Die studentische Selbstverwaltung unterscheidet sich stark zwischen Ost und West. Im Osten finden wir überwiegend das Studierendenrat-Modell. Ein Studierendenrat setzt sich oft aus den Fachschaftsräten zusammen und fasst Beschlüsse und setzt diese für die Studierenden in Selbstverwaltung um. Das Studierendenrat-Modell hat den Vorteil, dass auch Studierende ohne Zugehörigkeit zu politischen Hochschulgruppen sich direkt über Fachschaften engagieren können.

Im Westen finden wir häufiger ein Studierendenparlaments (StuPa)- bzw. Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA)-Modell. Ein gewähltes Studierendenparlament fungiert als Legislative und ein Allgemeiner Studierendenausschuss als Exekutive. Viele begrüßen die klare Gewaltenteilung. Die Parlamentswahlen und der Wahlkampf der Hochschulgruppen tragen zur politischen Kultur und Gemeinschaft bei, wodurch sie dem StuPa mehr Aufmerksamkeit und Gewicht geben.

Hochschulgruppen haben es im Osten schwerer, sich zu gründen und bestehen zu bleiben. Besonders hier ist demokratischer Austausch genauso schwierig wie gleichzeitig notwendig: Studierende haben weniger Geld, beantragen öfter Bafög und müssen regelmäßig arbeiten. Damit bleibt kaum Zeit, sich zu engagieren. Weiterhin wird Teilhabe über Hochschulgruppen auch noch dadurch erschwert, dass es mehr Zeit und Arbeit benötigt, über die Fachschaften in den StuRa entsendet zu werden als über die Liste einer Hochschulgruppe. Das macht demokratische Prozesse wenig attraktiv und begeistert niemanden, sich einzubringen. Campusgrün weiß um diese Probleme und unterstützt ostdeutsche Hochschulgruppen besonders durch Geld, Personal und praktischer Hilfe.


10. Internationale Sichtbarkeit und Partnernetzwerke


Im Westen verfügen viele Hochschulen bereits über attraktive, international renommierte Partnerstädte und -universitäten. Diese Netzwerke sind historisch gewachsen und oft in spannenden Metropolen verankert. Ostdeutsche Hochschulen mussten nach 1990 dagegen bei null anfangen und konnten vielfach nur auf frühere Partner in Osteuropa zurückgreifen. Das erschwert zum einen den Aufbau von Austauschprogrammen mit westlichen oder global gefragten Standorten. Zum anderen profitieren die ostdeutsche Hochschulstandorte von ihrer Knoten- und Verbindungsrolle zwischen Ost und West. So können Ostdeutsche Hochschulen zu internationalen Forschungs-, Lehr- und Transferzentren werden, die nicht nur die Wissenschaftslandschaft Deutschlands sondern auch die der ganzen EU stärken.

Campusgrün betont: Um konkurrenzfähig zu sein, müssen Hochschulen im Osten ihre Netzwerke aktiv erweitern und gezielt Kooperationen mit international renommierten Hochschulen eingehen, auch wenn diese nicht in unmittelbarer Nähe liegen.


Diese zehn Thesen appelieren an Entscheidungsträger:innen auf allen Ebenen - wir fordern euch auf: Schafft bessere Bedingungen für das Studium, Lehre und Forschung im Osten! Schafft echte Bildungs- und Chancengerechtigkeit zwischen Ost und West!

ree
ree

ree






 
 
bottom of page